von Monika Gause

Weichzeichnen in Illustrator – aber wie?

Das Typische an der Vektorgrafik sind die harten Kanten und exakt abgegrenzten Bereiche, die durch Pfade begrenzt sind. Das ist natürlich nicht für alle Gegebenheiten die gewünschte Darstellungsform und daher gehören Methoden zum Aufbrechen und zum Weichzeichnen der harten Kanten seit jeher in den Werkzeugkasten des Vektorgrafik-Anwenders.

Um weiche Kanten darzustellen, gibt es in Illustrator mehrere Wege. Sie könnten eine rein vektorbasierte Darstellung mit Verläufen, Verlaufsgittern oder mit Angleichungen wählen. In diesem Beitrag werden wir uns allerdings mit den pixelbasierten Effekten beschäftigen. Illustrator bietet hier zwei Effekte an: den Illustrator-Effekt Weiche Kante und den Photoshop-Effekt Gaußscher Weichzeichner (ab Version CS4 auch den Radialen und den Selektiven Weichzeichner).

Unterschiede

Zwischen den beiden Effekten gibt es nicht nur im Ergebnis erhebliche Unterschiede – der Gaußsche Weichzeichner ergibt in den meisten Fällen die schönere Weichzeichnung .

Bild: Was bei der einfachen Form nicht auffällt, dass nämlich der Effekt Weiche Kante nur die Kante weichzeichnet …

 

Auch in ihrer Funktionsweise unterscheiden sich die beiden, das betrifft zum einen die Anwendung an Objekten, die nicht nur einfache Formen sind, sondern auch in ihrem Inneren eine Struktur enthalten .

Bild: Bei Zeichnungen wird deutlich: Weiche Kante hat keine Auswirkung auf das Innere der Form (oben), im Gegensatz zum Gaußschen Weichzeichner (unten).

 

Dabei steht bei beiden Effekten eigentlich dieselbe Option zur Verfügung: die Eingabe eines Radius.

Bild: Dialogboxen der beiden Effekte.

 

Arbeitsweise

Woher resultieren nun die abweichenden Ergebnisse? Weiche Kante ist eigentlich keine Weichzeichnung, sondern eine weich auslaufende Maskierung vom Rand nach innen in der eingegebenen Stärke – es handelt sind nicht um einen Radius.

Dagegen arbeitet der Gaußsche Weichzeichner nicht nur am Rand, sondern an jedem Punkt des Objekts im eingegebenen Radius. Das bedeutet für den Rand, dass hier eine Weichzeichnung sowohl nach innen als auch nach außen stattfindet .

Bild: Während die Weiche Kante nur bewirkt, dass bis zur Objektbegrenzung ein sanfter Übergang in den Hintergrund erfolgt (oben), lässt der Gaußsche Weichzeichner das Objekt beim Weichzeichnen auch nach außen erweitern (unten). Schwarz gestrichelt: die ursprüngliche Objektbegrenzung.

 

Das hat natürlich Folgen für das visuelle Ergebnis. Notwendigerweise werden Objekte optisch kleiner und Konturen werden leichter oder verschwinden stellenweise komplett, wenn Sie mit Weiche Kante weichzeichnen (das ist in Abbildung sehr gut am Schwanz des oberen Zebras zu sehen).

Darüber hinaus ist der Übergang in den Hintergrund beim Gaußschen Weichzeichner wirklich weich, während bei Weiche Kante wenigstens stellenweise der Eindruck einer harten Außenbegrenzung bestehen bleibt, vor allem, wenn das weichgezeichnete Objekt Konturen besitzt (sehr gut zu sehen in Abbildung am Kopf des oberen Zebras, wo der Kontrast zwischen Füllfarbe und Kontur besonders stark ist).

Werte

Ein weiterer Unterschied besteht im Umgang mit dem eingegebenen Wert. Weiche Kante arbeitet mit absoluten Maßen, die Sie in der in den Voreinstellungen eingegebenen Maßeinheit definieren, der Gaußsche Weichzeichner dagegen (wie alle Photoshop-Effekte) mit dem relativen Maß »Pixel«. Die Größe eines Pixels ist nicht festgelegt – ein Pixel ist einfach ein Bildpunkt eines Rasterbilds.

Illustrator ist jedoch keine Raster- Software. Eine Illustrator-Datei besitzt keine Auflösung, sondern alle Objekte besitzen absolute Maße und Positionen. Um die Auswirkung des Effekts zu berechnen, muss Illustrator also auf eine Hilfskonstruktion zurückgreifen. Dazu dient die Einstellung der Auflösung in Effekt → Dokument-Rastereffekt-Einstellungen. Nach dieser Einstellung berechnet Illustrator die Größe der Pixel in den Photoshop-Effekten .

Bild: Die Dokument-Rastereffekt-Einstellungen.

 

Pixel in Illustrator?

Nun können Sie die Maßeinheit in den Voreinstellungen ja auch auf Pixel einstellen, was passiert denn dann? Diese Einstellung ist unabhängig von irgendeiner Auflösung. Tatsächlich arbeiten Sie in der Einheit Punkt (pt), wenn Sie Pixel eingeben, und ein Punkt ist definiert als 1/72 Zoll, also ungefähr 0,35 mm.

In Illustrator-Versionen vor CS4 musste Sie bereits vor der Anwendung von Photoshop-Effekten die endgültige Rastereffekt-Auflösung eingestellt haben, da nach einer Änderung der Auflösung die Effekte dramatisch anders aussehen können. Seit Version CS5 ist dieses Problem zumindest für den Gaußschen Weichzeichner nicht mehr vorhanden .

Bild: Bei einer zu geringen Rastereffekt-Auflösung sind in beiden Effekten deutliche Pixel zu sehen.

 

Besonders wenn Sie mit großen Radien weichzeichnen, müssen Sie noch auf eine weitere Option in den Dokument-Rastereffekt-Einstellungen achten:

Diese Einstellung Hinzufügen sorgt dafür, dass sich der Effekt weit genug »ausbreiten« kann. Ist der hinzugefügte Bereich zu klein, erscheinen in den Ecken des Begrenzungsrahmens des Objekts »Geisterwolken« .

Bild: Die »Geisterwolken« in den beiden Ecken an der linken Seite sind gut zu erkennen.

 

Sind jedoch die Weichzeichnungsradien zu groß, dann entstehen diese Wolken selbst dann, wenn Sie den hinzugefügten Bereich sehr stark erhöhen. Hier müssen Sie gegebenenfalls experimentieren, um einen Wert zu finden, den Illustrator noch toleriert.

Illustrator-Effekt oder Photoshop- Effekt?

Beide Effekte arbeiten nondestruktiv, die Einstellungen lassen sich später widerrufen oder ändern. Da beide Effekte pixelbasiert sind, ergibt sich auch dahin gehend kein Nachteil des Photoshop-Effekts gegenüber dem Illustrator-Effekt. Bei beiden müssen Sie auf eine korrekte Rastereffektauflösung achten.

Beim Ermitteln der Rastereffekt-Auflösung müssen Sie eventuelle Skalierungen der im Layout platzierten Grafik miteinbeziehen, d.h., wenn die Grafik im Layout 200 % skaliert eingebunden wird, muss die Auflösung bereits in Illustrator doppelt so hoch wie normalerweise benötigt eingestellt werden.

Anwendung der Effekte

Beide Effekte können Sie – wie alle Effekte – auch einzelnen Aussehensattributen zuweisen, nur einer Fläche oder einer Kontur eines Objekts.

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