FOTOGRAFIEREN VERBOTEN! IMHO*: Unterhöhlt der Datenschutz andere Grundrechte?

Wussten Sie schon, dass Sie ein Verbrecher sind und schon längst mit einem Bein im Gefängnis stehen? Nein, Sie brauchen dazu keine Steuern zu hinterziehen, niemanden umzubringen, kein Haus anzuzünden und keinen Diebstahl zu begehen. Es genügt, wenn Sie sich eine Kamera umhängen. Manchmal müssen Sie noch nicht einmal auf den Auslöser drücken.

Rechte des Fotografen

Vor längst vergangener Zeit gab es einmal so etwas wie ein Gleichgewicht der Interessen zwischen denen, die hinter, und denen, die vor der Kamera standen. Der Fotograf war in seiner Tätigkeit geschützt durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie (sofern er einem dieser Berufsstände angehörte) zusätzlich durch die Presse- und die Kunstfreiheit. Das fertige Foto genoss den Schutz des Urheberrechts.

Rechte des Fotografierten

Auf der anderen Seite stand der (oder das) Abgebildete mit eigenen Rechten – allen voran das Recht am eigenen Bild. Vernünftige Ausnahmen von diesem Recht sorgten dafür, dass ein Fotograf, der ein Abbild des Eiffelturms anfertigte, nicht von jedem Einzelnen der ungefähr zehntausend zufällig mit aufs Bild geratenen Personen deren schriftliche Einverständniserklärung einholen musste, um das Foto publizieren zu dürfen.

Das Gleichgewicht verschiebt sich

Das ändert sich gerade schleichend – und kaum jemand merkt es. Zwischen beide – Abbilder und Abgebildete – drängelt sich mit Macht ein weiteres Recht, das es bisher so nicht gab und das das Gleichgewicht zwischen beiden zu einer völligen Asymmetrie zu verschieben droht: der Datenschutz mit seinem Recht auf »informationelle Selbstbestimmung«, das nicht nur als Wort ein Ungetüm ist, sondern auch in seiner Wirkung.

Die Google-Bildsuche nach »Fotografieren verboten« zeigt die Vielfalt der Verbotsschilder, die den Fotografen das Leben zur Hölle machen können. Früher waren die meisten dieser Schilder wirkungslos, weil rechtswidrig, – dank Datenschutz sind sie heute in aller Regel rechtswirksam.

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Datenschutz für Einzelne statt »schmückendes Beiwerk« für alle

Das Beiwerk schmückt nicht mehr, es klagt

Heute müssen Sie wirklich vorsichtig sein, wenn Sie den Eiffelturm fotografieren. Es könnte nämlich sein, dass sich unter den Zehntausenden, die früher als »schmückendes Beiwerk« galten, einer ist, der gerade die falsche Frau küsst. Das darf er natürlich – aber Sie dürfen ihn nicht dabei ablichten. Nicht einmal »versehentlich«. Denn allein die Tatsache des Fotografiertwerdens verletzt sein Recht auf »informationelle Selbstbestimmung«. Und da dieses Recht die Ausnahme des »schmückenden Beiwerks« nicht kennt, haben Sie ziemlich schlechte Karten, wenn der beim Seitensprung ertappte Sie als Fotografen für die Zerstörung seiner Beziehung haftbar macht – auch wenn er ein Mikroskop brauchte, um sich auf dem Bild zu entdecken.

Drücken eines Auslösers macht den Ankläger zum Angeklagten

Freie Fahrt für Rechtsbrecher

Die Perversion dieser Rechtsinterpretation geht so weit, dass ein Raser Sie auf der Autobahn bedrängen dürfte, so viel er wollte. Fotografieren dürfen Sie ihn nicht dabei. Nicht einmal zum Zweck der Beweissicherung. Denn das würde sein Recht auf »informationelle Selbstbestimmung« verletzen – mit der Folge, dass das Foto als Beweismittel nicht zugelassen würde, und mehr noch: Sie als Fotograf plötzlich der Verbrecher wären.

Verbot der Videoüberwachung

Sie dürfen heute (das ist kein Witz!) in einer privaten, aber öffentlich zugänglichen Tiefgarage (auch wenn diese normalerweise verschlossen ist) keine verdeckte Videoüberwachung mehr installieren. In der Begründung für diesen Unsinn ist zu lesen, dass »sie [die Gefilmten] sich in der Tiefgarage nicht mehr frei und ungezwungen bewegen können. Dies stellt eine Persönlichkeitsrechtsverletzung der Betroffenen dar.«

Kameraattrappen verletzen den Datenschutz

Es wird darauf hingewiesen, dass die Installation von Kameraattrappen eine geeignetere Maßnahme darstellt. Dem entgegen steht jedoch, dass auch Kameraattrappen unter die datenschutzrechtlichen Bestimmungen fallen (das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen!), weil auch hier für den Betroffenen nicht auf den ersten Blick erkennbar sei, inwieweit er erfasst wird und damit persönliche Daten preisgibt. Allerdings sei dies, da keine »realen« Bilddaten erhoben werden (was, bitteschön, erheben Kameraattrappen denn: »irreale« Bilddaten?), in vielen Fällen als minder schwerer Eingriff zu bewerten (www.rdp-law. de/blog/).

Freibrief für Diebe und Verbrecher

Das bedeutet aber nichts anderes, als dass sich die Autoknacker blind auf die europäische Rechtsprechung und Justiz verlassen können – sie können ihrem Handwerk völlig ungehindert nachgehen. Denn war an ihrem Einsatzort (erlaubt, aber schon am Rande der Legalität) eine Kameraattrappe installiert, haben sie von dieser nichts zu befürchten, weil sie naturgemäß nicht einmal irreale Bilddaten erhebt. Handelte es sich jedoch um eine reale Kamera, die auch reale Bilddaten generiert, dann sind diese beweisunerheblich, weil die Daten ohne Zustimmung des Autoknackers erhoben wurden.

Überall Verbotsschilder – und inzwischen rechtswirksam

Öffentlichen Grund gibt es nicht mehr

»Fotografieren verboten!« – diese Schilder gibt es schon lange. Früher waren sie aber nur selten rechtswirksam. Hatte ein Haus- oder Ladenbesitzer zum Beispiel an seinem Haus oder Geschäft ein solches Schild angebracht, dann war das ebenso juristischer Unsinn wie das auf Baustellen allgegenwärtige »Eltern haften für ihre Kinder«. Von öffentlichem Grund aus durften Sie jedes Gebäude fotografieren – es sei denn, es handelte sich um militärisches Sperrgebiet. Das ist heute anders – dank Datenschutz.

Darf man überhaupt noch irgendetwas fotografieren?

Fast jedes Objekt und Subjekt ist geschützt

Machen Sie ein Foto Ihres Autos, dann verletzen Sie möglicherweise das Urheberrecht des Herstellers an der Gestaltung und an der Marke. Fotografieren Sie ein Haus, dann verletzen Sie das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Bewohner sowie das Urheberrecht des Architekten. Fotografieren Sie eine Landschaft, dann laufen Sie Gefahr, versehentlich das Schäferstündchen eines Lokalpolitikers abzulichten (das war bereits Gegenstand eines Prozesses) und damit gewaltig in Konflikt mit dem informationellen Selbstbestimmungsrecht zu kommen.

Unausgewogene Rechtssprechung

Natürlich brauchen wir ein Datenschutzgesetz. Aber zurzeit wird bei dessen Auslegung immer öfter das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Das Recht auf »informationelle Selbstbestimmung« wird zu einem Monstrum überhöht, das andere, etablierte und sozial anerkannte Normen niederwalzt.

Der Tod der Fotografie ist nah

Düstere Zukunftsaussichten für Fotografen

Die schöne Tätigkeit des Fotografierens wird zunehmend nicht nur erschwert, sondern regelrecht kriminalisiert. Der Grat, auf dem sich Fotografen juristisch bewegen, wird immer schmaler. Vielleicht wird es irgendwann das reale Bild nur noch in Archiven geben. Was wir an aktuellen Fotos dann noch zu sehen bekommen, entstammt der virtuellen Realität und ist computergeneriert. Dann hat der Datenschutz die Realität abgeschafft und kann sich darauf beschränken, sich selbst zu schützen.

* IMHO: »In My Humble Opinion« oder übersetzt: »meiner unbedeutenden Meinung nach« – im Web übliche Kennzeichnung für einen subjektiven Kommentar.

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