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Es geht um die Definition einer Maßeinheit: den typografischen Punkt. Diese Maßeinheit wird traditionell benutzt, um den Schriftgrad (die Zeichenhöhe) und den Zeilenabstand beim typografischen Satz zu definieren. Ursprünglich gab es ein ganzes Sammelsurium an verschiedenen typografischen Maßsystemen – in Wikipedia finden Sie unter dem Stichpunkt »Schriftgrad« einen sehr interessanten Überblick.
Punkt versus Millimeter: Auf modernen Typometern findet man nur noch den sogenannten DTP- oder PostScript-Punkt – definiert als 1/72 inch. Oben rechts zum Vergleich die Millimeter-Skala.
In Europa hat sich Ende des 18. Jahrhunderts der sogenannte Didot-Punkt durchgesetzt – definiert als 0,376 mm (der 1975 vorgeschlagene Versuch, den Didot-Punkt auf 0,375 mm, also 3/8 mm, »abzurunden« ist gescheitert). Generationen von Schriftsetzern in Blei- und Fotosatz haben noch diesen Didot-Punkt gelernt und mit ihm gearbeitet – zumindest in Europa.
Der Didot-Punkt ist die kleinste Maßeinheit des klassischen europäischen typografischen Maßsystems. Die größeren Einheiten werden nicht wie beim metrischen System auf der Basis 10 gebildet (Millimeter, Zentimeter, Dezimeter, Meter) sondern haben andere Abstände: 12 Didot-Punkt ergeben ein Cicero, 4 Cicero (48 Punkt) eine Konkordanz. 18 Konkordanzen (72 Cicero, 864 Didot-Punkt) sind 1 französischer Fuß (Pied de roi, 324,864 mm).
Schalten Sie in »Photoshop/Bearbeiten → Voreinstellungen → Maßeinheiten & Lineale…« auf die Option »Traditionell (72,27 Punkt/Zoll)« um. Dadurch weisen Sie Photoshop an, überall, wo Sie die Maßeinheit »Punkt« oder »pt« verwenden, den klassischen Didot-Punkt als Basis einzusetzen – wie beim konventionellen Blei- und Fotosatz. Das gilt nicht nur für die Einstellung von Schriftgrad und Zeilenabstand, sondern wahlweise auch für die Lineale, Transformationsmaße etc.
Darum geht es: Unter dem Menüpunkt »Photoshop/Bearbeiten → Voreinstellungen → Maßeinheiten & Lineale…« befindet sich ein Bereich »Punkt-/Pica-Größe«. Dort können zwei verschiedene Einstellungen ausgewählt werden.
Parallel zur europäischen hat sich Ende des 19. Jahrhunderts in den USA eine etwas andere, eigenständige typografische Maßeinheit etabliert: der amerikanische Punkt. Seine Maßdefinition ist relativ kompliziert – wichtig an dieser Stelle ist lediglich, dass die nächsthöhere Maßeinheit (12 amerikanische Punkt) nicht Cicero, sondern Pica hieß. Der klassische amerikanische Punkt hat eine Länge von ca. 0,3514 mm, ist also etwas kleiner als der Didot-Punkt.
Mit dem Aufkommen von DTP-Systemen in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts gewann jedoch eine neue, vereinfachte Definition des amerikanischen Punkts rapide an Bedeutung. Die Seitenbeschreibungssprache »PostScript« – von Adobe, dem Photoshop-Hersteller, entwickelt – machte DTP erst möglich und verhalf diesem Prinzip zu einem unglaublichen, weltweiten Durchbruch.
Bei der Wahl eines Maßsystems für PostScript entschied man sich für die Übernahme eines Systems, das in den USA für Schreibmaschinen entwickelt wurde und in Gebrauch war: Auch dieses benutzte den Punkt als kleinste und Pica (12 Punkt) als übergeordnete Maßeinheit. Der Einfachheit halber wurden hier jedoch 72 Punkt (6 Pica) als 1 Inch (25,4 mm) definiert – in den USA das auch heute noch gebräuchlichste Längenmaß (unser metrisches System hat dort zwar an Bedeutung gewonnen, konnte sich aber bis heute im täglichen Leben nicht wirklich durchsetzen).
Der PostScript-Punkt (0,35277 mm) ist ebenfalls etwas kleiner als der Didot-Punkt. Der Unterschied zum klassischen amerikanischen Punkt ist allerdings marginal. Interessant ist, dass der PostScript-Punkt in dieser Seitenbeschreibungssprache die einzige dort überhaupt verwendete Längeneinheit ist. Das bedeutet: Alle Maße, die von einer Applikation an ein PostScript-Ausgabegerät geschickt werden, müssen letztendlich in PostScript-Punkt definiert sein – egal, ob es sich dabei um Schriftgrade, Punktkoordinaten, Linienstärken oder was auch immer handelt.
Für Angaben in anderen Maßeinheiten muss die Applikation oder der Druckertreiber (bzw. deren Programmierer) Umrechnungsroutinen in PostScript-Punkt zur Verfügung stellen. Durch den erschütternd schnellen Niedergang der klassischen Satztechniken hat sich der PostScript-Punkt heute zum Quasi-Industriestandard gemausert, der Didot-Punkt und andere typografische Maßeinheiten spielen de facto keine Rolle mehr. Lediglich außerhalb der Grenzen der Typografie (also der reinen Schriftkunst) sind das metrische System und das amerikanische Inch immer noch als Standard anzusehen.
Summa summarum können Sie die Voreinstellung »PostScript (72 Punkt/Zoll)« eigentlich immer belassen (es sei denn, Sie müssten ausnahmsweise maßkompatibel mit klassischen Satzsystemen arbeiten, was nur noch äußerst selten vorkommen dürfte).
Aber jetzt wissen Sie wenigstens, warum.